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17.02.2025

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6 Min.

Regional macht resistenter

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Bei den Wertschöpfungsketten geht der Trend weg von der globalisierten Wirtschaft. Aber ist das bereits eine umfassende Deglobalisierung – oder nur das Zeichen für eine regional resistentere Wirtschaft? Und geht diese Entwicklung jetzt mit zusätzlichen Handels- und Zollschranken, initiiert durch die neue US-Regierung, noch deutlich weiter? Experten ordnen für fondsmagazin die Situation ein und erklären, ob und wie sich Anlegerinnen und Anleger darauf einstellen können.

Ola Källenius strahlt förmlich vor Zuversicht – und lüftet ein wenig den Schleier über seinem „Game Changer“ hier im Testzentrum südlich von Stuttgart. „Mit dem CLA läuten wir eine neue Ära ein“, ist sich der Mercedes-Chef sicher. „Dabei erlaubt uns die modulare Plattform größtmögliche Flexibilität.“ Als Elektroauto wird der kompakteste Benz erstmals Mercedes-eigene Batterien und eine weitgehend hausgemachte Elektronik haben. Ein massiver Schritt zu größerer Unabhängigkeit von Lieferanten aus Fernost: Die Batterien kommen aus einer eigenen Fabrik im sächsischen Kamenz – ebenfalls eine Premiere, die eine Produktion fast völlständig in Europa erlaubt.

Zu den chinesischen Kunden wird das gleiche Fahrzeug allerdings mit Antrieben „Made in China“ aus dem Werk in Peking kommen. So lassen sich lange Lieferwege und drohende Strafzölle für „Made in Europe“ umgehen. Und sollte Donald Trump die Zollkeule gegen Auslandsware schwingen, dürfte ziemlich schnell ein Motor aus dem Mercedes-Standort Bibb County in den USA bereitstehen. Wer global handeln will, sollte heutzutage verstärkt regional denken.

So wie Mercedes stellen sich immer mehr Unternehmen bei der Wertschöpfung auf möglichst regionale Fertigung und Lieferströme um – und das nicht erst, seit die jüngsten Zollauseinandersetzungen den Trend zum eingeschränkten Freihandel verstärken. Das Umdenken hat schon früher eingesetzt. „Unternehmen haben immer wieder unter Beweis gestellt, wie innovativ und anpassungsfähig sie sind“, sagt Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der Deka. Die Errichtung CO2-neutraler Fertigungen, Verlagerung von Produktion an logistisch günstige Standorte in Mittelosteuropa oder Aufbau neuer Standorte in den USA im Zug der Biden-Förderpolitik sind dafür Beispiele. „Wir haben keinen Zweifel daran, dass sie diese Fähigkeiten auch in Zukunft erfolgreich unter Beweis stellen werden“, sagt Schallmayer.

„In einer deglobalisierten Welt nehmen die Risiken zu"

Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der Deka (Foto: Deka)

Noch zu Beginn des Jahrhunderts war in vielen Branchen sogenanntes Single Sourcing Trumpf: Der beste und billigste Lieferant bekam den Exklusiv-Auftrag seines Großkunden; ganz gleich, wo er produzierte. Betriebswirtschaftlich meist optimal – aber risikoreich in Krisen. Das haben etwa Maschinenbauer, Chiphersteller oder Autokonzerne rund um den Globus bemerkt, als asiatische Lieferanten von Vorprodukten nach den Tsunamis in Südostasien und vor Japan wochenlang ausfielen. Auch die Lieferkrisen nach der Pandemie, der zeitweiligen Sperrung des Suezkanals oder im Zuge des Ukraine-Konfliktes haben weltweite Liefer- und Fertigungsverbünde massiv blockiert. 

Der Trend zum Zurückdrehen der Globalisierung gewinnt daher zunehmend an Fahrt und wird die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Laut einer Studie der Karlsruher Universität plant die Hälfte der deutschen Unternehmen nach den Corona-Erfahrungen, Teile ihrer Produktion zurück ins Inland zu verlagern. Dieses Reshoring betrifft laut Studienleiter Steffen Kinkel besonders Branchen wie Nahrungsmittel, Bekleidung sowie die chemische und pharmazeutische Industrie. So bauen etwa Bayer oder BASF wieder verstärkt Fertigungen im Heimatland auf, um unabhängiger von Lieferungen mit Basis-Chemikalien aus Asien zu werden. Die EU fördert solche Bemühungen, die Firmen störungsärmer fertigen lassen – und auch die US-Regierung gibt ähnliche Anreize. Laut einer aktuellen Studie des Capgemini Research Institute haben daher schon 47 Prozent der großen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen in die Rückverlagerung ihrer Produktion investiert. 

Wachsende Resilienz macht langfristig auch den Börsenkurs robuster gegenüber Wertschöpfungsketten-Problemen. Anleger­innen und Anleger sollten daher verstärkt auf Unternehmen mit flexiblen Lieferketten und starker Präsenz in ihren regionalen Märkten achten, so Schallmayer: „In einer sich deglobalisierenden Welt nehmen Risiken zu, umso wichtiger ist eine gute Diversifikation sowohl regional als auch thematisch.“

Neue Lasten für Exportnationen

Aus der Sicht ganzer Volkswirtschaften ist die weniger global arbeitende Welt indes erst einmal eine Belastung. Eine Studie des ifo Instituts prognostiziert, dass das reale Bruttoinlandsprodukt Deutschlands durch Reshoring langfristig um 9,7 Prozent sinken könnte. Die EU-27 könnte einen BIP-Rückgang von 4 Prozent erleiden, die Türkei sogar von 5 Prozent. Und die fünf Weisen des Sachverständigenrates stellen schon jetzt fest, dass „die deutsche Exportwirtschaft nicht mehr so stark vom globalen Wachstum profitiert wie früher“. 

Die geopolitischen Spannungen, insbesondere zwischen den USA und China, treiben diesen Trend zusätzlich an. Das Welthandels-Analyseportal Global Trade Alert berichtet, dass der Anteil Chinas an den US-Importen zwischen 2017 und 2023 um acht Prozentpunkte zurückgegangen ist. Davon betroffen sind auch Produkte wie Maschinen, Autos oder Pharmazeutika, die europäische Firmen bisher im Reich der Mitte für den US-Markt fertigen.

Sehr große Volkswirtschaften wie die USA oder China können dank hoher regionaler Wertschöpfung und riesiger Heimatmärkte sinkende globale Arbeitsteilung zwar prinzipiell besser bewältigen als exportabhängige und vergleichsweise kleine wie Großbritannien oder Deutschland. Aber Handelskrieger wie Donald Trump dürften trotzdem langfristig mit ihrem Kurs keine Vorteile erzielen. Denn Importe müssten „auch dort durch in der Regel teurere Erzeugnisse aus inländischen Quellen ersetzt werden“, erläutert Schallmayer. Dadurch komme es anfangs zu deutlich höherer 

Inflation. Zentralbanken könnten einen solchen Angebotsschock nicht verhindern, „werden ihre Geldpolitik aber dennoch straffen, um Zweitrundeneffekten wie übersteigenden Löhnen entgegenzuwirken“, so Schallmayer. Vielleicht ist auch darum bisher der ganz große Handelskonflikt „Made in USA“ erst einmal vertagt. 

Freihandel wird durch Auflagen behindert

Trumps Abschottungs-Ansinnen sind allerdings kein Einzelfall: Der Welthandelsexperte Simon Evenett beobachtet seit mehr als einem Jahrzehnt Tendenzen, den Freihandel durch Auflagen zu behindern. Demnach haben neue Handelsbeschränkungen bereits seit 2019 deutlich zugenommen. Dazu zählen für den Professor für Internationalen Handel an der Universität St. Gallen auch Umweltauflagen, erhöhte Dokumentationspflichten oder Corporate-Governance-Vorgaben:, „Nach dem, was ich aus unserer detaillierten Beobachtung der Handels-, Investitions- und Industriepolitik und aus der digitalen Regulierung weiß, geht die Tendenz zu mehr Eingriffen und Beschränkungen.“

Doch der Experte sieht den Königsweg eher in einem „Friend-shoring“ – also Wertschöpfungsketten, die wie am Beispiel Europas auf Quellen in verschiedenen näherliegenden und verlässlichen Partnerländern bauen. „Die Lösung liegt in der Beschaffung einer Reihe von Lieferanten, die weder von ,feindlichen‘ Regierungen kontrolliert werden, noch auf der Angebotsseite den gleichen Störungen wie man selbst ausgesetzt sind“, so Evenett. Isolationismus ersetze nur „ein Bündel von Versorgungsrisiken durch ein anderes“. Vorprodukte aus dem EU-Land Rumänien zu beziehen sei beispielsweise krisenresistenter als eine noch billigere Fertigung in China – und immer noch viel günstiger als die Produktion im Hochlohnland Deutschland. Die EU-Kommission will dieses Friendshoring durch zusätzliche Handelsabkommen wie jüngst Mercosur noch verstärken. Deka-Experte Schallmayer rät dazu, sich „auf Freihandel zu konzentrieren“ und die Verhandlungen nicht durch „zusätzliche Anforderungen regulativer Art“ in die Länge zu ziehen.

Grafik: KD1

Weniger globale Verflechtung in der Wertschöpfung biete aber auch Chancen: „Der Trend zu höheren Investitionen in Infrastruktur, Lieferketten, Nachhaltigkeit und Sicherheit wird anhalten, und Unternehmen in diesen Bereichen dürften strukturelle Profiteure sein“, so Schallmayer. Gleiches gilt für den Trend zur Automatisierung und Digitalisierung. So bauen derzeit beispielsweise Unternehmen wie Amazon, Alphabet oder die Deutsche Telekom Server-Farmen in Ländern Nordeuropas auf, Chiphersteller investieren in allen großen Regionen in neue Fertigungen, aber auch ein stärkerer europäischer Rüstungsverbund spricht für die neue Welt des Friendshoring. Auch in positiven Börsenkursen sind solche Entwicklungen erkennbar.

Eines allerdings wird auch deutlich – und zwar bereits seit Jahrzehnten: Regionale Handelsschranken und andere staatliche Interventionen sind kein Beleg für eine grundsätzliche Deglobalisierung der Weltwirtschaft. Anil Gupta, Wirtschaftsprofessor an der University of Maryland, weist darauf hin, dass ein großer Teil der Stärke der Weltwirtschaft inzwischen auf die Möglichkeiten des Internets zurückzuführen ist, dessen Wertschöpfungskette trotz einiger Einschränkungen in einzelnen Ländern weitgehend global ist. Volkswirtschaften und Unternehmen seien heutzutage durch Bits und Bytes oft enger miteinander verbunden als durch physischen Handel: „Zu behaupten, die Welt befinde sich in einer Deglobalisierung, das ist so, als würde man im Jahr 2000 die Umsatzeinbrüche bei analogen Kameras und Filmen als Ende der Fotografie beklagen.“ Vielmehr wurde noch nie so viel geknipst wie in den heutigen Zeiten der Selfies und Instagram-Accounts. Und Traditionsfirmen wie Leica oder Hasselblad profitieren davon als Software-Lieferanten von Smartphone-Konzernen wie OnePlus oder Xiaomi. Global Sourcing virtuell.

Deka-Experte Schallmayer ist auch deshalb optimistisch für Investitionen in Firmen, die sich auf die neue Wertschöpfungswelt einstellen und die richtigen Produkte für die langfristigen Megatrends liefern: „Aktien werden vom Gesamtertrag her langfristig die überlegene Anlageklasse bleiben. Insbesondere global aufgestellte Unternehmen partizipieren und profitieren auch weiterhin vom Wachstum einzelner Regionen und Länder. Gleichzeitig bieten Aktien einen wirksamen Schutz gegen eine potenziell erhöhte Inflation.“ Es komme auf die richtige Auswahl, eine breite Mischung und die regionale Verteilung an – ganz wie bei den Wertschöpfungsketten in der neuen Wirtschaftswelt.

Titelfoto: Mercedes-Benz

 

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