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Daumen hoch für neue Energie
Massenproduktion von grünem Wasserstoff, mehr Mobilität durch Brennstoffzellen und Aufbau einer europaweiten Infrastruktur für den nachhaltigen Energieträger: Wasserstoff kann ein Meilenstein für die Energiewende sein. Zusammen mit anderen Weichenstellungen hat das große Folgen für Unternehmen sowie Privathaushalte – und eröffnet Möglichkeiten für langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger.
Ende April gehört für fast alle Fachleute aus Industrie, Forschung oder Fondsmanagement eines zum Pflichtprogramm: der ausgiebige Rundgang über das Gelände der Hannover Messe. Auf der weltgrößten Industrieschau sind Tausende von Innovationen zu sehen, mit denen die Unternehmen Europas und der Welt die Zukunft gestalten wollen – nicht zuletzt die eigene.
Wer in diesem Jahr über die fast 60 Fußballfelder große Ausstellungsfläche schlendert, dem scheint vor allem ein Thema omnipräsent zu sein: der große Einstieg in die Erzeugung, Nutzung und Verteilung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Mehr als 500 Aussteller von A wie Agfa über S wie Siemens Energy bis Z wie ZF zeigen fast 1.000 Produkte und Dienstleistungen rund um den Öko-Energieträger, darunter allein 150 Weltpremieren. Hinzu kommen Präsentationen von mehr als 120 Forschungs- und Entwicklungsprojekten. „Damit sind wir die weltweit wichtigste und größte Plattform zum Thema Wasserstoff“, sagt Jochen Köckler, Vorstand der Deutschen Messe AG.
Milliardenhilfen für die Wasserstoff-Wende
Grafik: KD1
Die Leistungsschau all dessen, was von der Produktion des Energieträgers über die Verteilung bis hin zur Nutzung passiert, trifft damit genau den Nerv. Denn Erdgas komme als Brückentechnologie in vielen Bereichen nicht mehr infrage, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung; nicht zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine. Sonne, Wind und Wasser allein aber seien zu unzuverlässig, um eine konstante Stromversorgung zu gewährleisten. Auch deshalb wird die Energiewende hin zur Wasserstoffwirtschaft staatlich mit Milliarden gefördert, allein in Deutschland mit neun Milliarden Euro.
Denn die Aufgabe ist gewaltig. So sind Lkw-Hersteller wie Hyundai, Nikola oder MAN bereits dabei, wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Lkw in verschiedenen Größen zu produzieren. Allein der chinesische Hersteller Refire zeigt in Hannover Wasserstoff-Lkw, von denen er im eigenen Land bereits über 4.000 verkauft hat. Die Technik in den Fahrzeugen ist also bereits vorhanden, um mit Wasserstoff auch den Schwerlastverkehr emissionsfrei zu machen. So erwartet die Unternehmensberatung McKinsey, dass es bis 2030 weltweit bereits 10 bis 15 Millionen Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb geben wird.
Wirklich umweltfreundlich wird der Antrieb aber erst, wenn der Wasserstoff selbst mit Ökostrom statt wie bisher mit Erdgas erzeugt und klimaneutral zum Endkunden transportiert wird. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg – nicht nur wegen der hohen Kosten und des vergleichsweise geringen Wirkungsgrades. Auch die Infrastruktur steckt noch in den Kinderschuhen. So hat Deutschland erst vor wenigen Wochen mit Dänemark den Bau einer Pipeline für Wasserstoff aus Windstrom beschlossen. Die Energieversorger Equinor aus Norwegen und die deutsche RWE vereinbarten zeitgleich die Umrüstung von Gaskraftwerken auf Wasserstoff und darüber hinaus die Produktion von Öko-Wasserstoff in Norwegen, den Export per Pipeline nach Deutschland sowie die gemeinsame Entwicklung von Offshore-Windparks. Auch Konkurrent Statkraft stellte zusammen mit dem deutschen Start-up HH2E seine Vereinbarungen mit der norwegischen Nel vor; das gemeinsame Ziel: Elektrolyseure für Wasserstoffanlagen in mehreren europäischen Ländern zu kaufen, mit denen Strom in transport- und speicherbaren Wasserstoff umgewandelt werden kann.
Pionierarbeit, die die Wasserstoffwirtschaft nach Plänen der EU-Kommission zum Kern einer umfassenden neuen Stufe der Energiewende machen soll – mit enormer Nachfrage: Allein in Europa sollen demnach bis 2030 schrittweise Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 40 Gigawatt installiert und 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden – vor allem für Branchen wie Stahl oder Chemie, aber auch für Flugzeugbauer, Werften oder die Fahrzeugindustrie und deren Kunden. „Langfristig hat die Technologie das Potenzial, die Elektromobilität abzulösen oder zumindest einen ähnlichen Stellenwert zu erreichen“, sagt Michael Schneider, Fondsmanager des Deka UmweltInvest. Auch wenn das durchschnittliche Marktwachstum der Wasserstoff- und Brennstoffzellenbranche allein in den drei Jahren bis 2021 knapp 80 Prozent betrug – der Ausbau ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Denn der Energiehunger der Welt wächst. Der Bedarf wird von heute rund 26 Millionen Gigawattstunden auf 41 Millionen im Jahr 2050 steigen, prognostiziert der Research-Dienstleister Bloomberg NEF. Es ist darum dringlich, moderne und effiziente Energieformen auszubauen und zu entwickeln, um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.
Wer hier mit Innovationen punkten kann, erschließt sich einen Billionenmarkt. Denn laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien sind jährlich Investitionen in Höhe von rund 5,7 Billionen US-Dollar notwendig, um erneuerbare Energien auszubauen und ihre Effizienz zu steigern. Zeitgleich laufen weltweit zahlreiche Initiativen und Programme, um die Öko-Zeitenwende auch mit anderen Mitteln voranzutreiben: So gibt es in ganz Europa, den USA oder China mehrere milliardenschwere Förderprogramme mit unterschiedlichsten Zielsetzungen. Die Regierung von Joe Biden etwa lockt Firmen auch aus Europa in die USA, um dort die Produktion von Batteriefabriken anzukurbeln. VW etwa hat sich entschieden, eine neue Gigafactory in den USA statt in Europa zu bauen. Konkurrent BMW zieht dagegen mit staatlicher Förderung eine Batteriefabrik auf der bisher größten Produktionsfläche des Herstellers in Niederbayern hoch – und Mercedes treibt die Arbeiten an batteriebetriebenen Fahrzeugproduktionen in Schwaben und Polen voran. Bei der Brennstoffzelle geben die Stuttgarter ebenfalls wieder Gas, nachdem sie ihr Pkw-Projekt vor zwei Jahren beerdigt hatten.
Rückenwind bis an die Zapfsäule
Auch Konzerne wie Iberdola, Thyssenkrupp, Linde, Air Liquide oder BASF arbeiten bereits an der klimaneutralen Umstellung ihrer Produktion und hoffen vor allem auf den großen Schub durch Wasserstoff aus Wind, Sonne, Wasser oder Erdwärme. Das ist keine Utopie. Denn schon heute liefern solche alternativen Energiequellen laut Europäischer Kommission europaweit mehr Strom als alle Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke zusammen. Wenn künftig große Energiespeicher stehen, die aus Wind- und Solarparks auch bei Flaute oder Dunkelheit ausreichend Strom liefern können, dann kann die Grundlast auch ohne fossile Energieträger gewährleistet werden. Unternehmer Elon Musk ist sich sicher, dass Tesla künftig mit Energiespeichern „genauso viel Geld verdienen wird wie mit Elektroautos“ – und investiert in ganze Akkuparks.
Im kleineren, ganz privaten Maßstab geschieht dies parallel längst durch den Einbau von Wärmepumpen oder Lithium-Ionen-Speichern in Gebäuden, die auch in Deutschland massiv gefördert und ab dem kommenden Jahr für neue Heizungsanlagen de facto vorgeschrieben werden. Ein Konjunkturprogramm für das deutsche Handwerk, aber auch für internationale Börsengrößen wie Panasonic, General Electric oder Alfa Laval.
Gerade im rohstoffarmen Europa bietet der Umstieg auf Energie aus eigener Produktion allen Unternehmen des Kontinents eine größere Unabhängigkeit von Lieferungen aus Arabien, Fernost oder Amerika. Europa wird widerstandsfähiger. In Zeiten immer neuer globaler Krisen und Lieferkettenstörungen ein unschätzbarer Vorteil für die unternehmerische Planung. Hinzu kommen die direkten Profiteure des Wandels. Börsenschwergewichte wie Versorger, Elektronikunternehmen, aber auch Softwarefirmen liefern schließlich Komponenten für die Wende mit Wasserstoff und Co. Auf der Hannover Messe zeigten zudem mehrere Dutzend Newcomer und Start-ups ihre Ideen für die Energiewende. Vielleicht ist ja sogar das nächste Apple oder Tesla der Branche dabei?
Um das zu beurteilen, reicht ein Messerundgang aber bei Weitem nicht aus. Fondsmanager Schneider sagt, Privatanlegerinnen und -anleger sollten sich „Einzelinvestments in Wasserstoff-Aktien, also in Unternehmen aus dem Umfeld von Wasserstoff oder Wasserstoffantrieben oder Wasserstoff-Infrastruktur, als Einzelinvestments gut überlegen“. Denn dabei handele es sich oft um junge Unternehmen. Und bei denen könne schon der Ausfall eines Schlüsselkunden oder eine Projektverschiebung schnell dazu führen, dass sich der Aktienkurs negativ entwickelt.
Gerade Investitionen in die neuen Technologien der Energiewende sind daher am sichersten mit einer breit gestreuten Anlage mit langfristigem Horizont verbunden – und mit einem Anbieter, der die Branche und ihre Unternehmen kontinuierlich beobachtet und entsprechend nachjustiert.
Für eine klug geplante Energiewende im eigenen Portfolio spricht zudem, dass das ganze Vorhaben letztlich eine Investition mit langem Atem ist: Förderprogramme wie IRA in den USA, der Green Deal der EU oder spezielle Wasserstoffprogramme in Südkorea oder Japan sind auf Jahrzehnte angelegt, und auch Unternehmen haben Programme zur Klimaneutralität, die oft Ziellinien im übernächsten Jahrzehnt avisieren. Dass dabei der Elan nicht verloren geht, dafür sorgen übrigens auch engagierte Aktionäre wie die Deka. So klopft Ingo Speich, Head of Sustainability & Corporate Governance der Deka, mit seinem Team und den Analysten und Analystinnen des Hauses die Pläne der Unternehmen kontinuierlich auf Nachhaltigkeitsaspekte ab. Gerade in diesen Wochen der Hauptversammlungen „spornen wir da manches Management auch an, mehr und zügiger zu handeln“, so Speich.
Einzelanlagen gut überlegen
Auf diese Weise treiben auch Geldanlegerinnen und -anleger mittelbar die klimaneutrale Wirtschaft in Europa voran. Und damit vielleicht auch die ganz persönliche Energiewende, zum Beispiel im Straßenverkehr, wo der Mann oder die Frau am Steuer bald selbst viel stärker von der neuen Wasserstoff-Infrastruktur profitieren.
Ein Beispiel dafür sind schon heute die Tankstellen für Brennstoffzellenfahrzeuge: Bislang steht ein Unternehmen wie Total eher für die alte fossile Versorgungswelt. Doch der französische Konzern gibt bereits rund ein Drittel seiner jährlichen Investitionen für umweltfreundliche Energien aus – und hat zum Beispiel mit Daimler, OMV, Shell, Linde und Air Liquide ein Konsortium gegründet. Das Ziel: Wasserstoff flächendeckend an die Tankstellen der europäischen Zentren zu bringen. Mehr als 100 Wasserstoff-Zapfsäulen gibt es übrigens schon allein in Deutschland – und natürlich steht eine davon direkt am Eingang der Hannover Messe.
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