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29.03.2021

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7 Min.

"Vergütungssysteme sind ein großes Thema"

Text:

Ob bei Klimaschutz, Digitalisierung oder Vorstandsvergütung – Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance bei der Deka, ergreift mit seinem Team als Vertreter der Fondsanleger auch in der diesjährigen Hauptversammlungs-Saison das Wort. Wenn’s sein muss, auch gegen das Management.

Herr Speich, seit einem Jahr finden Hauptversammlungen nur virtuell am PC statt. Gibt es bald, wenn die Teilnehmenden geimpft sind, wieder in den großen Hallen die persönliche Aussprache zu den Reden des Managements?  

Schön wär’s – das wäre gut für die Aktionäre. Aber da freuen wir uns etwas zu früh. Die entsprechende Regelung für Hauptversammlungen per Videostream ist gesetzlich bis Jahresende 2021 verlängert worden. Ich rechne frühestens im kommenden Jahr wieder mit Präsenzveranstaltungen. Und das macht mich wirklich sehr nachdenklich, denn die derzeitigen virtuellen Hauptversammlungen sind ein Schlag gegen die Aktionärsdemokratie. Wir brauchen den direkten Dialog vor Ort.

Anlegervertreter wie Sie können nicht auf die Beiträge der Vorstände mit Nachfragen reagieren, richtig?

Genau. Gerade dieser Schlagabtausch ist bei den jährlichen Zusammenkünften einer der zentralen Punkte. Ein weiteres Manko ist, dass bei den virtuellen Hauptversammlungen immer noch nicht sämtliche Vorstände und Aufsichtsräte den Aktionären Rede und Antwort stehen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Das zuständige Bundesjustizministerium wollte doch bei der Verlängerung der Regeln für virtuelle Konferenzen mehr Mitwirkungsrechte vorschreiben?

Da ist leider zu wenig geschehen. Kurz vor Silvester hat es zwar noch eine kleine Anpassung der Regeln gegeben, aber Wesentliches hat sich nicht getan. Die Rechte sollten für alle Aktionäre die gleichen sein, egal ob HVs virtuell oder real stattfinden.

Bei wie vielen Hauptversammlungen stimmen Sie eigentlich 2021 für die Anleger der Deka ab?

Wir vertreten die Rechte unserer Fondsinhaber treuhänderisch auf rund 360 Hauptversammlungen. Bei Veranstaltungen auf anderen Kontinenten nehmen wir dabei oft nur die reinen Stimmrechte für Fonds oder ETFs wahr. Bei rund drei Dutzend werden wir aber auch in diesem Jahr Strategie, Ausrichtung, aktuelle Entscheidungen und langfristige Perspektiven kritisch hinterfragen. Allerdings sind wir natürlich auch außerhalb der HVs im konstruktiven Dialog mit den Firmen.

Eine Menge Arbeit.

Wir sind in ständigem Austausch mit dem Management der Aktiengesellschaften; dazu hat unser Analystenteam insgesamt rund 2.000 Kontakte mit Unternehmen im Jahr. Die Vorbereitung auf die Hauptversammlungen selbst ist auch zeitintensiv. Und die Präsenz vor Ort werden wir ausbauen, auch personell. Denn mit den wachsenden Anforderungen gibt es da auch mehr Vertretungsaufwand.

Was meinen Sie mit wachsenden Anforderungen?

Nehmen Sie allein die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Hier sind die Verpflichtungen zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens nachzuhalten. Außerdem wird aber auch der Umgang mit den Mitarbeitenden oder der Lieferkette für die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Firmen wichtiger – genau wie für unsere Anleger übrigens. Da geht es dann darum, auf den Hauptversammlungen abzufragen, welche konkreten Ziele und Verpflichtungen die Unternehmen verfolgen, wie sie diese einhalten.

Und natürlich auch, was passiert, wenn die Chefs die Ziele nicht erreichen – Stichwort Boni?

Genau. Vergütungssysteme sind ein ganz wichtiges Thema auf den diesjährigen Hauptversammlungen. Den meisten Unternehmen ist das auch bewusst.

Es geht jetzt also auch für die Firmen darum, das Gehalt der angestellten Manager an das Erreichen konkreter Nachhaltigkeitsziele zu koppeln?

Ja. Unternehmen wie Siemens haben bereits drei strategische Ziele bei Umwelt- und Sozialkriterien sowie nachhaltiger Unternehmensführung (ESG) in der Leistungskomponente der Vorstandsvergütung verankert. Andere sind da noch lang nicht so weit. Das müssen sie aber, um langfristig Erfolg zu haben.

Und wenn ein Unternehmen wie ThyssenKrupp dem Management trotz jahrelangen Verlusten und strategischem Schlingerkurs noch einen Sonderbonus zahlt, dann ist das virtuelle Veto von Ingo Speich gewiss?

Die Sonderzahlung an den Vorstand war und ist ein völlig indiskutables Signal – und sendet eine falsche Botschaft in das Unternehmen. Bei ThyssenKrupp gab es zeitgleich Massenentlassungen. Das passt nicht zusammen. Der Aufsichtsrat muss sich da zu Recht Kritik gefallen lassen – und er sollte umdenken.

Foto: Deka

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance der Deka, bei der HV von ThyssenKrupp zu Strategie, Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

"Die Strategie von ThyssenKrupp ist eher eine Blackbox als ein Fels in der Brandung. Im europäischen Wettbewerbsvergleich ist die Stahlsparte operativ am schlechtesten aufgestellt. Man fragt sich: Kann ThyssenKrupp überhaupt Stahl? Ob sich ThyssenKrupp den Luxus massiver Investitionen sowohl in Stahl als auch in Wasserstoff erlauben kann, ist nicht nur betriebswirtschaftlich fraglich. Schlussendlich muss sich für einen Bereich entschieden werden. Die Nachhaltigkeitsregulierung macht ThyssenKrupp zusätzlich das Leben durch den kostenintensiven Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten zunehmend schwer. (…) Wir fordern den Verkauf sämtlicher Rüstungsaktivitäten. Das Reputations- und Compliancerisiko steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.“

Apropos Aufsichtsrat: Da haben Sie ja auch schon an anderer Stelle Kritik geübt – etwa bei der Berufung des Adidas-Chefs Rorsted in den Siemens-Vorstand.

Ein Aufsichtsrat muss in der Lage sein, den Vorstand bei seinen operativen Aufgaben zu beraten und zu beaufsichtigen. Dazu braucht er vor allem auch genügend Zeit. Herr Rorsted hat in der aktuellen Krise bei Adidas schon viel zu tun. Außerdem ist er schon Verwaltungsrat (entspricht dem deutschen Aufsichtsrat mit gleichzeitiger Oberleitung der Gesellschaft) bei Nestlé. Da ist jedes weitere Mandat eines zu viel. Das haben auch andere Anleger so gesehen.

Darum haben ein Viertel der Anleger, genau wie die Deka, die Berufung abgelehnt.

Leider waren wir nicht genug.

Bei nachhaltigen Kriterien etwa bewegen sich viele Firmen aber durchaus in die Richtung, die Sie empfehlen. Was ist generell Ihr Ansatz für Ihr Einwirken auf das Management?

Wir wollen nachhaltig gut beraten. Darum hat die Deka ja auch vier klare Forderungen an die Aktiengesellschaften, um die Diversität und Kompetenz der Aufsichtsorgane zu stärken.

Foto: Deka

Vanessa Golz, Spezialistin Nachhaltigkeit & Corporate Governance der Deka, bei der Infineon-HV zu Zukunft, Umweltschutz und Dividende.

„Technologische Megatrends wie E-Mobilität, Digitalisierung, Automatisierung und 5G bilden die besten Voraussetzungen für das Produktportfolio von Infineon. Wie stellt Infineon sicher, dass die Marktpositionen auch in zehn Jahren gehalten werden können? Infineon will bezogen auf Energieverbrauch und Emissionen im eigenen Unternehmen bis zum Ende des Geschäftsjahres 2030 CO2-neutral sein. Allerdings muss das Unternehmen auch den Energieverbrauch und die Emissionen vor allem in Beschaffung, Lieferkette oder Produktzyklus im Auge behalten. (…) Zwar müssen wir Infineon-Aktionäre die erste Dividendenkürzung seit 2010 hinnehmen. Allerdings werden wir hierfür durch die wie ein ‚Phoenix aus der Asche‘ aufsteigende Infineon-Aktie entschädigt.“

Welche Forderungen erheben Sie genau? 

Viele deutsche Unternehmen haben Verbesserungsbedarf. Erstens werden die Unternehmen immer internationaler. Darum sollten auch die Aufsichtsräte je nach Geschäftsmodell aus anderen Ländern und Kontinenten kommen. Zweitens braucht es mehr Fachkompetenz in Sachen digitaler Technologiewende. Das ist ja ein Megatrend, Stichwort: Industrie 4.0.

Also was die digitale Vernetzung in allen Geschäftsprozessen anbelangt – die wiederum für den Erfolg der Zukunft entscheidend ist?

Ja. Aufsichtsräte sollten dieses neue digitale Know-how repräsentieren. Drittens sollte ein Mandat auf drei Jahre anstatt fünf Jahre begrenzt sein, um so die Möglichkeit zu schnelleren Anpassungen in Aufsichtsräten zu haben. Ein Wiederwahlrecht ist zulässig. Und viertens, ebenfalls ganz wichtig: Es sollten mehr Frauen in die Aufsichtsräte berufen werden.

Gleichberechtigung ist auch Teil der Nachhaltigkeitsziele – und deren Erreichen entscheidet über die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle. Da müssten Sie sich ja freuen, wenn der Gesetzgeber das auch so sieht und etwa bei den weiblichen Aufsichtsratsvertretungen Vorgaben macht?

Wir haben schon den Eindruck, dass die Europäische Union auf der Seite der Anleger steht. Und auch beim Thema Nachhaltigkeit gehen ja die gesetzlichen Vorhaben wie zum Beispiel das neue Lieferkettengesetz in eine nachhaltige Richtung.

Foto: Deka

Winfried Mathes, Spezialist Corporate Governance der Deka, bei der Siemens-HV zu Strategie, Nachhaltigkeit und Vergütungssystem.

„Siemens sollte noch konsequenter auf die richtigen Technologien setzen. Software und das Internet der Dinge bieten das größte Wachstumspotenzial. Das einst margenstarke Energiegeschäft ist von der Wende zu einer kohlenstoffärmeren Energieerzeugung überrollt worden. Es muss dringend eine Portfolioschärfung her. Sogenannte Smart Infrastructure etwa bei der digital vernetzten Stromversorgung dürfte stark von den Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels profitieren. Deshalb sollte das Geschäftsfeld klarer als Problemlöser in puncto Klimaschutz positioniert werden. Der Lagebericht sollte schon heute Angaben zu den Prämissen des Strukturwandels infolge des Pariser Klimaabkommens enthalten. So können Investoren die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens besser beurteilen.”

Sie meinen die Verantwortung von Firmen für die Verhältnisse bei ihren Zulieferern, Rohstofflieferanten oder Logistikpartnern, etwa in Fragen der Arbeitsbedingungen oder des Umweltschutzes?

Genau. Da ist Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit gefragt. Gut so! Unsere Anleger wollen nachhaltig erfolgreiche Firmen mit klaren Zielen, für deren Erreichen mutig investiert wird. Dann lässt sich auch eine externe Krise wie die Pandemie besser bewältigen.

Dass es 2021 keine Dividendenrekorde gibt, können Sie das verschmerzen?

Wir freuen uns für unsere Anleger natürlich über gute Dividenden. Aber reine Dividendenmaximierung ist und war nie im Interesse nachhaltiger Vermögensbildung. Gewinnbeteiligungen für die Aktionäre sollen aus Gewinnen kommen, nicht aus dem Eingemachten. Und sie sollen den Firmen die Kraft erhalten, langfristig ihr Geschäftsmodell an neue Herausforderungen etwa bei Digitalisierung oder Nachhaltigkeit anzupassen. Darauf haben wir zum Beispiel bei den schon gelaufenen Hauptversammlungen bei Siemens Energy oder ThyssenKrupp großen Wert gelegt. Und auch einmal eine Infineon gelobt, wenn das Management dort die Sache besonders gut gemacht hat.

Trotz Dividendenkürzung?

Dass bei der Bewältigung einer Krise nicht die gleichen Dividenden gezahlt werden können wie bei einer ungetrübten Boomphase, ist verständlich und aus den genannten Gründen ja auch im Interesse der Aktionäre. Am Beispiel Infineon sehen Sie aber auch: Wenn die generelle Strategie stimmt, wird der Aktionär bei der Kursentwicklung wieder für mögliche temporäre Dividendenkürzungen entschädigt; vor allem auf lange Sicht.

Die HV-Saison ist ja noch in vollem Gang. Wie sieht es denn eigentlich generell aus mit der Erfolgsbeteiligung für die Aktionäre?

Besser, als man das heute vor einem Jahr befürchten musste …

Als die Börsenwerte der meisten Unternehmen zwischendurch im Coronaschock abgestürzt sind?

Ja. Unsere Volkswirte erwarten für die Dax-30-Unternehmen Ausschüttungen von rund 32 Milliarden Euro. Das sind zwar 2,4 Milliarden Euro oder 7 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei dem derzeitigen Kursniveau bedeutet das aber immer noch eine Rendite von rund 2,6 Prozent. Wieder mal ein klares Signal dafür, dass am langfristigen Vermögensaufbau über Aktiengesellschaften kaum ein Weg vorbeigeht. Und damit das für unsere Anleger so bleibt, begleiten wir die Manager engagiert, kritisch und mit Blick auf den langfristigen Erfolg. Auch und gerade auf den Hauptversammlungen.

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