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20.05.2024

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5 Min.

Zins und Dividende im Blick

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In der diesjährigen HV-Saison hat es einmal mehr Dividenden in Rekordhöhe gegeben. Wie geht es mit den Unternehmensgewinnen weiter, und welche Rolle können künftig Zinspapiere neben Aktien noch in einem diversifizierten Portfolio spielen? fondsmagazin gibt Antworten.

Christine Lagarde bleibt vorsichtig: Zwar ist die Inflation im Euroraum im Jahresvergleich von 8,6 auf 2,8 Prozent gesunken. Doch die EZB-Präsidentin betont: „Wir brauchen eindeutig mehr Beweise und mehr Daten“, bevor ihr Gremium den Leitzins wieder senkt. Und auch auf der anderen Seite des Atlantiks klingt die Aussage ihres Pendants bei der US-Notenbank, Jerome Powell, ganz ähnlich. Zumal die Geldentwertung dort zuletzt sogar wieder leicht auf 3,2 Prozent gestiegen ist.

Zinssenkung hin, Zinssenkung her – viele andere Akteure an den Märkten zeigen deutlich weniger Zurückhaltung: Die Firmenwerte an den Börsen sind seit Monaten auf Höhenflug. „Mitverantwortlich dafür ist die Erwartung billigen Geldes durch Zinssenkungen in den kommenden Monaten“, sagt Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der Deka. Und so sehen es wohl auch viele, die sich kurzfristig Geld leihen. Denn auch bei Fest- und Tagesgeld oder Staatsanleihen zeigt die Zinsstrukturkurve seit Monaten deutlich nach unten. Bei der zehnjährigen deutschen Staatsanleihe etwa ist die Rendite von mehr als 3 Prozent im Oktober 2023 auf unter 2,5 Prozent gefallen.

Grafik: KD1

Für langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger bedeutet das aber nicht, dass Zins und Zinseszins grundsätzlich weniger inte­ressant geworden sind, sagt Christoph Witzke, Leiter CIO-Office und Fondsmanager der Deka. Zinsprodukte bringen Stabilität ins Depot – und gerade wegen der gesunkenen Inflation lässt sich die reale Wertentwicklung mit den richtigen Anlagen sogar leichter ins Positive drehen. Der Experte rät daher weiterhin zu Zinsanlagen – allerdings mit grundsätzlichen Tipps. Gerade bei Anleihen lohne es sich, die Zinsen zu sichern. Und zwar tendenziell über längere Laufzeiten, weil damit das aktuell noch hohe Zinsniveau ein Stück weit in die Zukunft gerettet werden kann. Wer dies über thesaurierende Fonds mit breiter Streuung tut, nutzt zudem den Zinseszinseffekt. Mit Blick auf das Research der Deka schätzt Witzke die Gefahr einer Deflation, erneuter globaler Konjunkturschwäche und in der Folge zu stark fallender Zinsen übrigens noch geringer ein als zu Jahresbeginn: „Es sieht gut aus für eine weiche Landung in der Zinspolitik der Notenbanken.“

Witzkes Kollege Schallmayer findet daher durchaus auch die Anlage in Unternehmensanleihen von Emittenten mit etwas niedrigerer Bonität interessant. Denn hier seien die Ausfallrisiken bei entsprechender Streuung in den Fonds bereits eingepreist. „Zudem sind vermehrte Ausfälle gar nicht so wahrscheinlich, denn die Weltwirtschaft wird 2024 wieder deutlich wachsen. Das bedeutet eine prinzipiell gute Auftragslage für die meisten Unternehmen“, sagt der Ökonom. Auch Staatsanleihen aus den Emerging Markets könnten eine interessante Beimischung sein, denn sie bieten in der Regel ebenfalls höhere Zinsen. Allerdings sollten vor allem Emittenten aus Krisenländern Afrikas und Lateinamerikas im Auge behalten werden. „Deshalb ist eine aktiv gemanagte Mischung wichtig, um die Risiken zu minimieren“, sagt Schallmayer. Die Fondsmanager der Deka haben beispielsweise mehrere Hundert Titel ständig im Blick.

Gute Aussichten für Dividenden

Eine anziehende Weltwirtschaft ist zugleich ein wesentlicher Grund dafür, dass auch der „Stiefbruder“ des Zinses über 2024 hinaus eine gute Wertentwicklung erwarten lässt: die Dividendenrendite. Stiefbruder deshalb, weil sich das Verhältnis von Kurs zu Dividende eben nicht so gleichförmig entwickelt wie ein festgelegter Zinssatz – aber bei stetiger Wiederanlage ganz ähnliche Effekte erzielt wie der Zinseszins. Das belegt der K-Dax, der nur die reine Wertentwicklung der Unternehmen betrachtet: Dieser Index erreicht noch immer keine 7.000 Punkte. Der viel bekanntere Performance-Dax dagegen bezieht auch die Dividenden mit ein – und hat sie seit seinem Start 1987 rechnerisch immer wieder angelegt. 2024 hat dieser Index seine eigenen Rekordmarken mehrfach übertroffen und die 18.000er-Marke erreicht – ein Vielfaches des K-Dax. Dabei starteten beide mit 1.000 Punkten.

Schallmayer sieht dabei gute Chancen, dass die Top-Unternehmen in Deutschland wie auch in vielen anderen europäischen Ländern ihr hohes Dividendenniveau in den kommenden Jahren halten oder sogar ausbauen können. Denn gerade die exportstarken Konzerne profitieren vergleichsweise stark von einer solide wachsenden Weltwirtschaft, die eine schwächere Nachfrage auf dem alten Kontinent mehr als ausgleichen kann.

Doch wer an langfristigem Vermögenszuwachs interessiert ist, sollte nicht automatisch Aktien mit hohen Dividenden bevorzugen, warnen Anlageexperten. Denn erstens muss sich auch der Kurs nachhaltig gut entwickeln. Sonst kann es passieren, dass der Aktienbesitzer real mehr an Wert verliert, als er an Dividenden einnimmt. Und zweitens sollten Dividenden als Erfolgsbeteiligungen der Unternehmenseigner grundsätzlich aus den Gewinnen des Bilanzjahres erwirtschaftet werden – und nicht aus der Substanz vergangener Zeiten.

„An Megatrends für erfolgreiche Firmen ändert eine Leitzinswende nichts“

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance der Deka

Genau darauf pocht Ingo Speich in diesen Tagen besonders – und zwar von Angesicht zu Angesicht mit den jeweiligen Unternehmenslenkern. Deshalb hat der Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance zum Beispiel auf der Hauptversammlung von ThyssenKrupp gegen die Ausschüttung einer Dividende gestimmt: „Das einzige Licht, das hier leuchtet, ist die rote Laterne, die ThyssenKrupp auch im Wettbewerbsvergleich hält“, sagte der Vertreter der Deka-Fondsbesitzer. Aufgaben wie Entflechtung oder Dekarbonisierung habe das Management zu lange verschlafen. Und die Profitabilität von ThyssenKrupp sei „im europäischen Vergleich die miserabelste.“ Der Stahlkocher lebe seit Jahren von der Substanz. „Damit muss endlich Schluss sein“, so Speich in seiner Analyse.

Generell sehen der Experte und sein Team aber auch viele Unternehmen auf einem guten Weg – nicht zuletzt dank der kontinuierlichen und konstruktiven Begleitung durch aktive Fondsmanager und andere Aktionärsvertreter. Bei Siemens etwa sei die Entflechtung gut vorangekommen und habe das Schiff schneller und wendiger gemacht. Auch RWE packe den Umbau energisch an, und die Autohersteller – Schwergewichte im Dax – hätten inzwischen deutlich auf die Kritik reagiert, die Wende zur E-Mobilität zu verschlafen. „Die Kurse haben sich stabilisiert“, so Speich. Die Wettbewerbsfähigkeit steige wieder.

Auch bei Infineon verteilte Speichs Kollegin Cornelia Zimmermann grundsätzlich gute Noten für das wachsende Geschäft – aber auch eine Kritik, die für viele Unternehmen aus Deutschland und Kontinentaleuropa gelte: Der Chiphersteller trage mit seinen Produkten zwar zur Energieeffizienz und zur Erzeugung erneuerbarer Energien bei. „Es gibt aber noch keine verbindlichen Standards, wie diese positiven Effekte in eine Art CO2-Bilanz einfließen können.“ Für Aktionäre sei es daher schwierig, die Aussagen im Nachhaltigkeitsbericht zu überprüfen.

Zimmermann wünscht sich deshalb eine Innovation der Aktionärsdemokratie, die sich in angelsächsischen Ländern bereits nachhaltig durchzusetzen beginnt: das Say-on-Climate. Bei so langfristigen und elementaren Zielen wie der Klimastrategie sollten die Aktionäre auf der Hauptversammlung mitreden können. „Ihr Votum sollte eingeholt werden“, so Speich. Eine rühmliche Ausnahme sei beispielsweise der Maschinenbauer GEA. Dax- und Eurostoxx-Konzerne sind davon noch weit entfernt.

Klare Forderungen und Einschätzungen wie diese seien wichtig in diesen Tagen der Hauptversammlungen, ist Speich überzeugt, „denn an den Megatrends für erfolgreiche Unternehmen ändert eine Leitzinswende nichts: Bei der digitalen Transformation, der Vernetzung mit KI und vor allem bei der Nachhaltigkeit müssen die Unternehmen vorne mit dabei sein.“

Denn die Positionierung der Firmen bei diesen Zukunftsthemen entscheide letztlich darüber, ob die Kurse und Dividenden ihrer Aktien oder die Zinsen ihrer Anleihen auch langfristig einen realen Wertzuwachs bringen, sagt auch Joachim Schallmayer. Nur so könne der Vermögenswert im Portfolio voll vom Zinseszins­effekt profitieren. Und Anlagestratege Christoph Witzke stimmt zu: „Niedrige Inflation, ordentliche Zinsen und eine solide Konjunktur – das ist sehr gut für alle, die einen breiten Mix aus Anleihen und Aktien halten. Und für Manager, die ihre Unternehmen auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen.“

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