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Energie für den Wandel
Ob bei Recycling, Windkraft oder Produktion: Weltweit liefern Firmen immer neue Lösungen, um den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft voranzutreiben. Das ist auch eine Perspektive für Anlegerinnen und Anleger.
Die Flitzer von Ferrari kennen keine Krise. Lieferengpässe und Rezessionsängste mögen die Absatzzahlen der großen Autohersteller rund um den Globus drücken, aber die meist knallroten Renner mit dem sich aufbäumenden Pferd als Markenzeichen auf der Motorhaube verkaufen sich so gut wie nie. Erst kürzlich hat das Management seine Prognose für das Gesamtjahr angehoben. Der erwartete Umsatz entspricht einem Zuwachs von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit würden die Italiener fast ein Drittel mehr einnehmen als vor der Pandemie.
Ferrari markiert einen Trend unter den Edelmarken. Ob Uhren, Mode oder Autos – für Luxus geben gut betuchte Käuferinnen und Käufer mehr Geld aus als je zuvor. Die Premiumhersteller spüren das sich verschlechternde Konsumklima kaum.
Noch scheint es auch für Firmen, die den Massenmarkt bedienen, recht gut zu laufen: Viele von ihnen können die stark gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe auf die Konsumenten abwälzen. Doch der mit harten Bandagen geführte Kampf, den Lebensmittelhersteller und Supermarktketten um neue Konditionen führen, zeigt, dass in einigen Branchen das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Laut einer Umfrage des ifo-Instituts wollen rund ein Viertel der befragten deutschen Familienunternehmen wegen der Energiekosten Jobs abbauen.
Auf mittlere Sicht hellt sich die Grau-in-Grau-Stimmung allerdings schon fast wieder auf. Die Gaskrise aus dem vergangenen Jahr ist auch im energiemäßig klammen Deutschland bewältigt, und auch die Inflation scheint wieder im Griff. Nicht zuletzt entwickeln sich die Geschäftszahlen vieler Unternehmen in Europa und den USA bislang robust – auch wenn es immer mal wieder zu Enttäuschungen kommt.
Die relativ niedrigen Bewertungen, die zahlreiche Aktien an den europäischen Börsen erreicht hatten, haben strategisch orientierte Anlegerinnen und Anleger zuletzt zum Einstieg genutzt. Der Euro-Stoxx-50-Index steht inzwischen deutlich höher als vor einem Jaht.
Die Führungsverantwortlichen in den Chefetagen der europäischen Konzerne blicken indes längst noch weiter nach vorne. Vor allem Unternehmen in energieintensiven Branchen arbeiten mit Hochdruck an ihrer Transformation, beispielsweise bei der Nachhaltigkeit. Denn bis spätestens 2050 muss die Wirtschaft nach den Vorgaben der Europäischen Kommission klimaneutral sein.
Der Chemieriese BASF zum Beispiel hat auf hohe Preise und knappes Angebot nicht nur mit einem strengen Sparprogramm beim Gas reagiert. Die Ludwigshafener unterzeichneten jüngst auch einen langfristigen Vertrag über die Lieferung von grünem Strom, der ab dem Jahr 2025 in einem Windenergiepark vor der Insel Borkum erzeugt wird. Das strategische Investment hat der dänische Partner Ørsted ermöglicht, der als Weltmarktführer im Bereich Offshore-Windenergie gilt.
Nach Einschätzung von Patrick Jahnke verschaffen Möglichmacher wie Ørsted den Börsen in den kommenden Jahren Rückenwind. „Das gilt für Themen wie die Erzeugung und die Bereitstellung von erneuerbaren Energien, aber auch für viele andere Bereiche, in denen Unternehmen ihre Nachhaltigkeit vorantreiben müssen“, sagt der Deka-Fondsmanager. Diese Meinung unterstreicht auch sein Kollege Michael Schneider, Fondsmanager des Deka-UmweltInvest: „Wir konzentrieren uns auf die Wachstumsthemen der Zukunft: erneuerbare Energien, Wasser oder Umweltschutz.“
Nach einer gemeinsamen Studie der Unternehmensberatung McKinsey und Euro Commerce muss allein der Groß- und Einzelhandel in der Europäischen Union in den kommenden acht Jahren bis zu 600 Milliarden Euro in Nachhaltigkeit investieren – um klimaneutral zu werden, sich an das veränderte Verbraucherverhalten anzupassen und schließlich auf das Wachstum des eCommerce zu reagieren.
„Dafür brauchen die Unternehmen wie in vielen anderen Traditionsbranchen auch das Know-how und die Expertise von Spezialisten“, hebt Jahnke hervor und nennt beispielhaft Firmen wie Soltec Power und Array Technologies. Diese entwickeln Technologien, um die Energieausbeute bei Solarparks zu erhöhen. Kleine Elektromotoren in Verbindung mit einer intelligenten Steuerung sorgen dafür, dass die einzelnen Panels immer optimal zum Sonnenstand ausgerichtet sind. „Vor dem Hintergrund der hohen Strompreise rechnen sich damit Solarparks auch an Standorten, die bisher als unrentabel eingestuft wurden“, so der Anlageprofi.
Patentes Europa
Im Bereich der Umwelttechnologie blühen solche und andere Geschäftsideen gerade in Europa auf, der alte Kontinent gilt weiterhin als Innovationsstandort. Beim Europäischen Patentamt (EPA) wurden im vergangenen Jahr über 188.000 Patentanmeldungen eingereicht. Das ist ein Plus von 4,5 Prozent im Vergleich zu 2020 und zugleich ein neuer Rekordwert. Ein Grund dafür: In vielen Regionen klappt die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
Das französische Unternehmen Waga Energy etwa fängt die Methanemissionen von Müllhalden ein. Der Spezialist für Umwelt- und Verfahrenstechnik reinigt diese Emissionen und speist sie mithilfe des französischen Industriegas-Unternehmens Air Liquide in das Gasnetz. Weil der Markt für diese Lösung weltweit riesengroß ist, expandieren die Franzosen inzwischen nach Übersee. In Kanada haben sie ein erstes Projekt gestartet.
Die Erzeugung von regenerativen Energien ist dabei häufig stationär gebunden. Es braucht eine Energiequelle, die ähnlich wie Benzin in Verbindung mit einem Verbrennermotor flexibel und mobil einsetzbar ist. Die Brennstoffzelle wird das nach Einschätzung von Expertinnen und Experten ermöglichen. Für Unternehmen wie SFC Energy tut sich damit ein Riesenmarkt auf. Die Münchner stellen Brennstoffzellen aller Größen und Leistungsstufen her, die per Methanol oder Wasserstoffkartusche betrieben werden. Diese Mini-Kraftwerke sind als Notstromaggregat für kritische Infrastrukturanlagen einsetzbar, etwa in Krankenhäusern oder an Mobilfunkmasten.
Das Problem beim Wasserstoff: Seine Erzeugung ist zum Beispiel sehr energieintensiv. Damit er grün ist, braucht es auch in entlegenen Winkeln der Erde Produktionsanlagen, die vor Ort mit regenerativen Energien betrieben werden. Einen wichtigen Baustein dafür liefert Nucera. Die ThyssenKrupp-Tochter ist auf den Bau von Elektrolyseanlagen spezialisiert. Erst jüngst haben die Essener mit dem brasilianischen Chemieunternehmen Unigel einen Vertrag über die Lieferung von zwei industriellen Wasserstoffanlagen vereinbart, die nachhaltig betrieben werden.
Es dauert allerdings noch einige Jahre, die weltweite Versorgung mit grünem Wasserstoff sicherzustellen. Daher gilt Flüssiggas (LNG) zunächst als unverzichtbare Brückentechnologie. Da LNG für den flächendeckenden Einsatz die passende Infrastruktur benötigt, drückt Deutschland aufs Tempo: In Wilhelmshaven ist das erste in Rekordzeit hochgezogene LNG-Terminal bereits in Betrieb. Denn um das Flüssiggas von der Küste ins Land zu bekommen, braucht es Spezialfahrzeuge mit entsprechenden Tanks.
Auch der Schwerlastverkehr selbst benötigt eine Alternative zum schmutzigen Diesel, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Das höhere Wirtschaftswachstum und der stetige Ausbau der transeuropäischen Verkehrsnetze werden für einen Anstieg der Güterverkehrsleistung in Europa sorgen. Das ist das Ergebnis einer Shell-Studie, die der Ölkonzern zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Technischen Universität Hamburg erstellt hat. Die Expertinnen und Experten gehen im Zeitraum 2010 bis 2050 von mehr als 50 Prozent aus, der Großteil davon läuft über die Straße.
Lieferketten werden regionaler und komplexer
Mit Wasserstoff allein ist es zunächst aber nicht möglich, die Zunahme des Güterverkehrs zu bewerkstelligen. Daher brauchen auch die Lkw-Flotten selbst spezielle Tankanlagen an Bord. Hier kommen wieder Spezialisten wie etwa SAG ins Spiel. Das österreichische Familienunternehmen gilt als Weltmarktführer für mobile und stationäre Aluminiumtanks.
Mehr Güterverkehr bedeutet gleichzeitig auch komplexere Lieferketten. Diese zu steuern und zu überwachen ist jedoch nur mit digitalen Netzwerken möglich – und daran mangelt es noch in der Logistikbranche. Als führender Anbieter dieser Netzwerke gilt Project44. Das in Chicago ansässige Start-up verfolgt elektronisch für eine Vielzahl renommierter Großkunden jährlich mehr als eine Milliarde Sendungen, die weltweit unterwegs sind.
Ein derzeit noch kleiner Möglichmacher ist das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech Lithium. „Das Management fokussiert sich darauf, in einem weitgehend klimaneutralen Prozess etwa durch Recycling hochqualitatives Lithium in Deutschland zu erzeugen, das für die Produktion der Batterien von Elektroautos benötigt wird“, beschreibt Anlageexperte Jahnke das Geschäftsmodell. „Damit böte sich ein potenzieller Ausweg aus dem Dilemma der Elektromobilität: Die ist über den gesamten Lebenszyklus hinweg gesehen nur dann nachhaltiger als Fahrzeuge mit Verbrennermotor, wenn auch die Komponenten nachhaltig gefertigt werden – allen voran die Batterie.“
Ein Blick rund um den Globus zeigt also: Es gibt landab und landauf zahlreiche Firmen, die mit ihren Produkten und ihrem Know-how an vielen Stellen die Transformation der Wirtschaft ermöglichen. Viele dieser Möglichmacher sind zwar vergleichsweise klein, erst wenige Jahre am Markt und ob das Geschäftsmodell dauerhaft funktioniert, ist mit Unsicherheiten verbunden. Aber sie sind vor allem sehr agil und machen daher Hoffnung, dass die aktuelle Krise zügig gemeistert werden kann.
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