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16.12.2024

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5 Min.

„Trends und trendy nicht verwechseln“

Text:

Was kommt 2025 auf uns zu? Amy Webb könnte es wissen. Sie ist es gewohnt, in die Zukunft zu schauen und beobachtet aktuell mehr als 700 Trends. Die US-Autorin ist Gründerin und CEO des Future Today Institute und Professorin für strategische Zukunftsplanung an der New York University.

Frau Webb, wir möchten mit Ihnen darüber sprechen, was uns im Jahr 2025 erwartet. Welche sozialen und technologischen Trends sehen Sie auf uns zukommen?  

In unserem jährlichen Bericht zu den Technologietrends 2025 des Future Today Institute behandeln wir fast 700 verschiedene Trends – zu viele, um sie hier alle aufzulisten, aber einige werden für jede Branche von größter Bedeutung sein. Der erste ist KI, die selbstständig Entscheidungen treffen und Maßnahmen ergreifen kann. Sie kann ein Ziel erreichen, ohne dass ein Mensch an ihrer Seite arbeiten muss. Solche „agentenbasierten“ KI-Systeme können planen, ausführen und ihre Entscheidungen bei Bedarf anpassen, auch wenn sie es mit verschiedenen Situationen zu tun bekommen. Stellen Sie sich also einen persönlichen Assistenten vor, der Ihre Bedürfnisse vorhersieht, Probleme proaktiv löst, Lösungen identifiziert, Ihre Präferenzen lernt und jede Aufgabe effizient und optimal erledigt. Stellen Sie sich nun diesen persönlichen Assistenten in der Größenordnung eines der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt oder in einer komplexen Lieferkette vor. 

Okay, KI ist klar – was beschäftigt uns noch? 

Eine weitere Technologie, die es zu verfolgen gilt, ist das Quantencomputing, das im Jahr 2025 den Übergang von einer weitgehend theoretischen zu einer greifbaren Realität vollziehen könnte. Es nutzt die Quantenmechanik, um komplexe Probleme schneller als auf klassischen Computern zu lösen. Sobald es einen Weg zur Kommerzialisierung gibt, wird das Quantencomputing beispiellose Möglichkeiten zur Wertschöpfung in fast allen Sektoren schaffen. Es hat das Potenzial, Bereiche wie die Medizin, die Materialwissenschaften und das Finanzwesen zu revolutionieren. Und obwohl das sich eher um einen politischen Trend handelt, würde ich die Technologiegiganten in den USA und ihren Einfluss auf die Trump-Administration genau beobachten. Ihre Entscheidungen könnten uns alle auf einen anderen Weg in die Zukunft führen. Obwohl dies kein Trend an sich ist, glaube ich auch, dass wir 2025 dank der Entwicklungen in der mRNA-Technologie wahrscheinlich einige Durchbrüche bei Krebsimpfstoffen sehen werden.

Was halten Sie von diesen Trends? Freuen Sie sich darauf oder fürchten Sie sie? 

Im Allgemeinen freue ich mich weder über Trends noch fürchte ich sie. Ein Trend beschreibt einfach die Richtung, in die sich eine Technologie oder ein anderer Bereich entwickelt, und es ist meine Aufgabe, die Auswirkungen zu untersuchen und zu modellieren, die er auf Unternehmen, die Industrie und die Gesellschaft haben könnte. Ich mache mir Sorgen, dass Führungskräfte nicht zwischen Trend und Mode, also was trendy ist, unterscheiden können und dann falsche Entscheidungen treffen.  

Sehen Sie Unternehmen, die bei diesen Trends wirklich Vorreiter sind? 

Auf dem Gebiet der KI interessiere ich mich besonders für Writer.ai, die im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz tätig sind, den US-amerikanischen Robotikhersteller Adept, Conjecture, die KI-Systeme entwickeln und, auch wenn das vielleicht umstritten ist, Amazon. Amazon taucht normalerweise nicht auf den Listen der bahnbrechendsten KI-Unternehmen auf, aber ich verfolge ihre Forschung und Entwicklung sehr genau und bin tief beeindruckt von dem, was sie aufbauen. Im Quantenbereich baut IonQ Quantenmaschinen und Rigetti Computing Quantenprozessoren, -maschinen und Cloud-Dienste. Ich verfolge auch die Aktivitäten von DeepMind, das im Vergleich zu OpenAI und Meta sehr wenig Aufmerksamkeit in den Medien erhält. 

Werden eventuelle Kriege diese Trends eher stoppen oder beschleunigen? 

Historisch gesehen haben Kriege zu Erfindungen geführt, die wiederum Innovationen nach sich zogen. Es ist plausibel, dass es im kommenden Jahr zu einer weltweiten Verknappung kommen könnte, wenn die Spannungen zwischen den USA und China weiter zunehmen und gleichzeitig die Nachfrage nach KI-Systemen die Chip-Produktionskapazitäten von TSMC in Taiwan übersteigt. Dies würde zu einer Verlangsamung des KI-Wachstums führen – ganz zu schweigen von allem, was auf fortschrittlichen Chips basiert, vom iPhone bis zum Elektroauto. 

Welche Region verbinden Sie mit welcher Entwicklung? Und welche Veränderungen werden von China, den USA, Europa oder anderen Regionen ausgehen? 

Im Jahr 2025 werden wir wahrscheinlich einen anhaltenden Boom im Bereich der sauberen Technologien in China erleben, das bei der Innovation von Elektrofahrzeugen, der Einführung von Solarmodulen und der enormen Nachfrage nach Netzspeichern führend sein wird. Große Technologieunternehmen investieren derzeit massiv, um Afrika mit mehr Bandbreite zu versorgen – insbesondere Ruanda wird bei der digitalen Transformation im Gesundheitswesen, bei Finanzdienstleistungen und in der Verwaltung wieder einen großen Sprung nach vorne machen. Relativ sicher ist, dass die USA auch im kommenden Jahr im Bereich der künstlichen Intelligenz führend sein dürften. Europa wird sich unterdessen auf die KI-Gesetzgebung vorbereiten, um die Frist vom 2. August 2026 für die vollständige Umsetzung aller Bestimmungen einzuhalten. Anfang nächsten Jahres treten zudem die „Beschränkungen für inakzeptable Risiken“ in Kraft – ich bin gespannt, ob und wie dies das Wachstum auf dem Kontinent behindern wird. 

Wie sehen Sie die Entwicklung in Deutschland? 

Die vorgezogenen Bundestagswahlen Anfang nächsten Jahres sind eine Chance für Deutschland, in die Zukunft zu investieren. Meine Firma, das Future Today Institute, berät mehrere in Deutschland ansässige Unternehmen in Bezug auf die Zukunft von Technologie und Strategie, und ich habe festgestellt, dass enorme Anstrengungen unternommen werden, um den Status quo in der Geschäftswelt aufrechtzuerhalten. Die deutsche Wirtschaft kann wiederbelebt werden, und Technologie kann und sollte dabei eine Schlüsselrolle spielen. Aber die Industriegiganten und der Mittelstand müssen ermutigt werden, mehr strategische Risiken einzugehen. Ich bin besorgt über das Fortbestehen der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse in Deutschland, die meiner Meinung nach in gewisser Weise das Wachstum behindert. Ich sage nicht, dass Deutschland eine hohe Staatsverschuldung haben sollte – aber ein gewisses Maß an Verschuldung würde sowohl Kapital freisetzen, das verteilt werden könnte, als auch die Öffentlichkeit motivieren, sicherzustellen, dass die größten Unternehmen alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu wachsen. Schließlich will die Öffentlichkeit, dass ihre Investitionen Früchte tragen und Deutschland wieder auf die Beine kommt.

Wo auf der Welt sehen Sie derzeit einen Schwerpunkt für Innovationen? 

Innovationszentren gibt es inzwischen viele auf der ganzen Welt. Sowohl Abu Dhabi als auch Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) legen ein hohes Tempo vor, wenn es um Technologieinvestitionen, staatliche Innovation und gesellschaftliche Entwicklung geht. Es hat Spaß gemacht, das rasante Wachstum der VAE in so kurzer Zeit zu beobachten. Atlanta im Süden der USA entwickelt sich dank Partnerschaften mit Weltklasse-Universitäten wie dem Georgia Tech rasch zu einem Zentrum für technologische Innovation in Unternehmen. Das Silicon Valley ist nach wie vor eine Brutstätte für die nächste Generation von KI- und Quantentechnologien. Singapur treibt die Kommerzialisierung und Regulierung von Kulturproteinen voran, ganz zu schweigen von anderen Hightech- sowie Forschungs- und Entwicklungbereichen und Start-ups. Japan ist führend in der biotechnologischen Innovation. Sie fragen sich jetzt sicher: Und was ist mit Berlin? München? Hamburg? Es tut mir leid – ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten zu verkünden, aber was ich in Deutschland sehe, ist eher Wiederholung als Innovation. Es gibt ein enormes Potenzial, und ich hoffe, dass deutsche Städte nächstes Jahr um diese Zeit ganz oben auf der Liste der innovativen Städte stehen werden.  

Wenn Sie die Wahl hätten: Wo würden Sie das Jahr 2025 am liebsten erleben?

Die einfache Antwort für mich lautet: auf autofreien Straßen, mit dem Fahrrad durch die Berge. Eine andere Antwort lautet: außerhalb des Planeten, als Astronautin im Weltraum.

Titelfoto: picture alliance / Flashpic / Jens Krick

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