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17.03.2025

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6 Min.

Ein Pakt für Europa

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USA und Deutschland: Die größte Wirtschaftsnation der Welt und die bedeutendste Europas stehen unter neuer Führung – damit verbunden ist eine epochale Zäsur in den Beziehungen der großen Weltregionen. Wohin führt da die erratische Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten? Und was ist von der neuen Bundesregierung für Deutschland und Europa zu erwarten? Die neue multipolare Weltordnung stellt Unternehmen, Branchen und Volkswirtschaften vor Herausforderungen, bietet aber auch Chancen. 

Die Welt zieht an einem Strang: 193 Staats- und Regierungschefs kommen bei der UNO zusammen – und bekennen sich zu Prinzipien einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Eine Weltfinanzordnung soll den Rahmen für eine Global Governance schaffen, die faire ökonomische Bedingungen von Feuerland bis Finnland garantiert. Für den Umgang mit neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz oder Biotechnologie werden ebenso Regeln aufgestellt wie für den Einsatz neuartiger Verteidigungssysteme.

Es ist noch nicht lange her: Erst am 22. September 2024 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den „Pakt für die Zukunft“ verabschiedet. Doch die Einigkeit währte nicht lange. Schon wenige Tage später distanzierten sich Russland und Argentinien offiziell von den gerade multilateral verabschiedeten Inhalten, die meisten anderen schweigen das Papier seitdem tot.

Und dann kam Donald Trump: Seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Ende Januar folgt auch aus Washington ein Schlag nach dem anderen gegen viele globale Organisationen und Vereinbarungen: Mal dreht seine neue Regierung UN-Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation den Geldhahn zu, mal legt sie die aktive Mitarbeit auf Eis wie bei der Welthandelsorganisation (WTO), mal steigt sie gleich aus globalen Bündnissen wie dem Pariser Klimaabkommen aus.

„Der Multilateralismus ist auf dem Rückzug“

Penny Goldberg, ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank 
(Foto: Peterson Institute for International Economics)

Penny Goldberg, ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank, bringt es auf den Punkt: „Der Multilateralismus ist auf dem Rückzug.“ Die globale Gemeinsamkeit gerade in der Wirtschaftsordnung sieht nicht nur Ökonomin Goldberg schon lange vor der Ära Trump 2.0 reichlich zerrüttet: Bereits unter dem Demokraten Barack Obama begann die bis heute andauernde Blockade des WTO-Schiedsgerichts, die jede Schlichtung von Konflikten unmöglich macht. Und drakonische Strafzölle von bis zu 100 Prozent auf Waren aus China verhängte zuletzt Trumps Nachfolger und Vorgänger Joe Biden – neben allerlei neuen lokalen Produktionsvorschriften für alle, die in den USA Geschäfte machen wollen. Hinzu kommen geopolitische Spannungen wie der Krieg in der Ukraine, die Konflikte im Südchinesischen Meer oder zuletzt um Grönland, Kanada und Panama. Nach den Lieferkrisen im Zuge der Pandemie ist auch das Vertrauen in globale Wertschöpfungsketten erschüttert und die ökonomische Waffe von Zöllen, Strafzöllen und Gegenzöllen wird wieder aus dem Arsenal der Handelskrieger geholt.

Der Unilateralist und selbst ernannte „Dealmaker“ Trump hat die transatlantische Entfremdung rasant vorangetrieben – nicht zuletzt mit der Abkehr von der gemeinsamen Ukraine-Unterstützung, neuen Zollhürden für europäische Importe und der Hinwendung zu autokratischen Regimen und Parteien auf dem und um den alten Kontinent. „Europa wird gerade aus dem geopolitischen Reservat, in dem es jahrzehntelang unter US-amerikanischer Pflege gestanden hat, in die freie Wildbahn entlassen“, fasst Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater die Epochenwende in den US-europäischen Beziehungen zusammen.

Diese drohende Eiszeit setzt Europa und seine exportstärkste Nation Deutschland enorm unter Druck. Und sie erfordert proaktives Handeln von Regierungen und Unternehmen. Nearshoring, De-Risking und De-Coupling heißen drei Schlagworte dazu. So hat der spanische Modegigant Zara einen Teil seiner Produktion von Asien nach Portugal und Marokko verlagert. BMW baut neue Werke in Deutschland, aber auch in den Nachbarländern Ungarn und Tschechien auf – und reduziert gleichzeitig die Gefahr von Handelshemmnissen, indem es seine US-Produktion für den dortigen Markt massiv ausbaut.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will noch mehr als dieses Nearshoring: „Ich glaube, wir müssen De-Risking betreiben“, womit weniger Abhängigkeit von der globalen Werkbank China gemeint ist. Ihre Pläne umfassen die Diversifizierung von Lieferketten und Investitionen in andere Regionen Asiens. Der Möbelgigant Ikea hat seine Produktion bereits in Länder wie Polen, Vietnam und Indien verlagert. Auch Adidas produziert zunehmend in Vietnam, Indonesien oder Malaysia. Und SAP lässt massiv Software in Indien programmieren.

Neue Standards „Made in Europe“

Die dritte Säule für mehr Autonomie ist das sogenannte De-­Coupling, also der Aufbau eigener Standards und technologischer Plattformen. Längst arbeiten die USA daran, mit Technologieboykotten gegen China ihre technologische Vormachtstellung gerade bei Hochleistungschips und KI zu schützen – worauf die Chinesen wiederum mit dem Aufbau eigener Standards bei Internet-Handelsplattformen oder KI-Chatbots reagieren. Aber auch Europa setzt etwa beim Ausbau der 5G-Netze unter Ausschluss chinesischer Wettbewerber auf „Made in Europe“ und stärkt multilaterale europäische Kooperationen, die neue Standards setzen. Beste Beispiele dafür sind das Raketenprogramm Ariane und der Weltmarktführer im Flugzeugbau Airbus. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz fordert mehr solcher europäischen Initiativen und will „mit einigen Staaten eine gemeinsame Politik entwickeln; nicht nur den großen, auch mittleren und kleineren“. Denn die größte Stärke Europas ist das gemeinsame Handeln der 27 Mitgliedstaaten – im doppelten Sinne.

Nur gemeinsam können die Europäer eine Macht darstellen, die sich in entscheidenden Bereichen auch wirtschaftlich eigenständiger organisieren kann, so Ökonom Kater. Dazu dient zum Beispiel eine EU-weite Offensive zur Rückgewinnung wichtiger Rohstoffe durch Recycling: Durch geschlossene Kreisläufe bei Aluminium, Lithium und einigen seltenen Erden oder Rücknahme- und Recyclingpflichten bei Elektro-Altgeräten soll bis 2030 EU-weit rund ein Viertel aller eingesetzten Rohstoffe wiederverwertet werden. Unternehmen wie Stellantis, Bayer oder Pirelli haben darüber hinaus eigene Kreislaufsysteme aufgebaut, die bei vielen Ressourcen weit über diese Quote hinausgehen.

Foto: AdobeStock; Titelfoto: picture alliance / Ena Christophe Pool / ABACA

Hafen von Barcelona: Trump-Zölle gegen Europa bedrohen den Exportmarkt. Allein in Spanien sind Agrargüter im Wert von 3,5 Milliarden Euro betroffen. 

Dazu kommt der starke Ausbau der Autonomie durch den Einsatz von erneuerbaren Energien: Allein die Wind- und Solarkapazität ist laut Eurostat seit 2019 um 65 Prozent gestiegen. Schon in fünf Jahren sollen so mindestens 42,5 Prozent des EU-Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen stammen. In Deutschland tragen Wind, Sonne oder Wasser bereits mehr als 60 Prozent bei. Das Erpressungspotenzial durch das Drehen am Gas- oder Ölhahn wird damit mittelfristig deutlich reduziert.

Doch auch die alternde Bevölkerung in allen Staaten des Kontinents bedroht die Dynamik im Wettlauf um Innovationen und Produktionskapazitäten. Laut Bundesagentur für Arbeit benötigt allein Deutschland jährlich etwa 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland, um den Bedarf in Schlüsselbranchen zu decken. Anwerbeoffensiven mit bevölkerungsreichen Ländern wie den Philippinen, Indien oder Thailand bringen bereits heute jährlich Tausende von Arbeitskräften nach Deutschland. Andere EU-Staaten wie Frankreich oder Spanien haben ähnliche Programme.

Die haben lange dazu beigetragen, die Exportstärke vieler europäischer Unternehmen zu erhalten. Die Stagnation der Konjunktur konnte das aber nicht verhindern, besonders in Deutschland. Merz sieht daher die Ankurbelung der Wirtschaft als sein wichtigstes Ziel: vor allem „durch weniger Bürokratie, Steuer­erleichterungen und billigere Energie“. Da ist er sich mit der EU-Kommission einig, die gerade ihren „Clean Industrial Deal“ verkündet hat: Kraftwerke sollen schneller genehmigt und der grenzüberschreitende Stromhandel gefördert werden. Jens Südekum, Professor und Berater der EU-Kommission, sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf, was Wirtschaftswachstum und Produktivität angeht. „Buy European“ lautet darum ein weiteres Motto der Kommission. Für Südekum legitim: „China und die USA tun das Gleiche. Dafür muss sich Europa nicht schämen.“

Die Errichtung solcher Schutzwälle stellt global agierende Unternehmen vor neue Herausforderungen: Rohstoffe müssen je nach Produktionsstandort aus mehreren Quellen bezogen und der Anteil lokaler Produkte in bestimmten Märkten erhöht werden, um Strafzölle zu vermeiden. Ökonom Kater erwartet trotz solcher Handelshemmnisse eine weiter solide wachsende Weltwirtschaft. Sein Kollege Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie, verweist zudem auf das Multimilliarden-­Konjunkturprogramm, das Deutschland gerade plant: „Zusätzliche Ausgabenprogramme führen zu direkter Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen im Bereich Verteidigung, Infrastruktur und Bau, aber auch zu indirekter Nachfrage nach ­Vorleistungsgütern und verbundenen Dienstleistungen.“ Für die ­Aktienmärkte sei dies „klar positiv einzuschätzen“.

Eine wirkliche Bedrohung für Wachstum und Beschäftigung wären indes ausufernde militärische Konflikte. Europa muss darum aufrüsten. „Für mich wird absolute Priorität haben, Europa so zu stärken, dass wir Unabhängigkeit von den USA erreichen“, sagt der jahrzehntelange Transatlantiker Merz jetzt – und treibt Rüstungsanstrengungen voran. Eine Belastung für die nationalen Staatshaushalte – aber auch eine Quelle neuen Wachstums, so Jan F. Kallmorgen, Partner bei der Unternehmensberatung EY: „Die Erhöhung der Verteidigungsinvestitionen schließt nicht nur die Fähigkeitslücke, sondern löst auch einen regelrechten Job-Boom aus.“ Deka-Ökonom Kater erwartet, dass solche globalen politischen Richtungsentscheidungen „das Kapitalmarktumfeld der 20er-Jahre prägen werden“.

Pakt für die Zukunft Europas

Die Rückkehr zu einem globalen „Pakt für die Zukunft“ wird im neuen Zeitalter der multipolaren Schwergewichte nicht so schnell gelingen. Aber Europa ist dabei, sich für einen Platz in der ersten Liga dieser Machtblöcke zu positionieren. Dabei rückt das größte Bündnis freier Nationen nicht grundsätzlich von seinen Prinzipien ab. Schließlich hat die EU bereits fast 80 Freihandelsabkommen abgeschlossen, mit Japan zum Beispiel, mit Südkorea oder Kanada und gerade erst mit ganz Südamerika. Und rund drei Dutzend weitere Freihandelsabkommen sind in Arbeit, unter anderem mit Indien, Indonesien und Malaysia. Das Modell der zollfreien, liberalen und friedlichen EU 27 ist also nach wie vor attraktiv für die Welt; keine schlechten Aussichten für einen Pakt für die Zukunft Europas.

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