Keine Währung, trotzdem wertvoll
Keine Währung, trotzdem wertvoll
Chefvolkswirt der Deka, Dr. Ulrich Kater spricht über Bitcoins.
Der Hackerangriff auf einen US-Pipelinebetreiber im Mai offenbarte gleich zwei Eigenschaften des als Lösegeldwährung verwendeten Bitcoin. Erstens, dass dieser gar nicht so anonym ist wie von vielen geglaubt – die Transaktionen sind eben unter Pseudonym doch öffentlich, und das machte es möglich, einen Großteil der Summe sicherzustellen. Zweitens zeigte sich sehr deutlich ein Grundproblem, das jeder hat, der Bitcoin als Währung zu Transaktionszwecken verwenden möchte: In US-Dollar gerechnet, war die sichergestellte Lösegeldsumme nämlich nur noch etwa die Hälfte wert, weil sich der Kurs des Bitcoin zum US-Dollar in der Zwischenzeit mal wieder fast halbiert hatte. Für jemanden, der als hoch risikobereiter Anleger lange Zeiträume von Kursschwankungen aussitzen kann, wäre dies vielleicht noch erträglich, seit Mitte Mai hat sich der Kurs bereits wieder etwas erholt. Für jemanden, der täglich Transaktionen durchführen will oder als Unternehmer sein Geschäftsmodell durchkalkulieren muss, ist eine solche Volatilität allerdings nicht tragbar.
Einige der gängigen Argumente gegen den Bitcoin als Währung, etwa die schlechte Energiebilanz oder die beschränkte Transaktionskapazität, könnten durch technische Verbesserungen wohl überwunden werden.
Ein schlagendes Argument gegen Bitcoin als Transaktionswährung stellt jedoch seine starke Kaufkraftschwankung dar. Dieser Grund hängt eng zusammen mit einem anderen gewichtigen Argument, nämlich dass der Bitcoin keinen Sponsor hat, der eine Kaufkraft- oder Kurspflege betreiben würde. Die Abwesenheit einer zentralen Instanz ist ja gerade Wesenselement des Bitcoin. Damit einher geht aber, dass Nachfrageschwankungen sich direkt in Kursschwankungen übersetzen. Das Vorhaben El Salvadors, den Bitcoin in einer vereinfachten Variante zum offiziellen Zahlungsmittel zu machen, ist wohl seriöser als der krachend gescheiterte „Petro“ in Venezuela. Aber auch hier ist rätselhaft, wie die Wirtschaft mit der Volatilität zum US-Dollar fertigwerden soll. Davon abgesehen wird überall dort, wo der Staat in der Lage ist, ein funktionierendes Währungswesen bereitzustellen, das Währungsmonopol auch durchsetzbar sein. Das mindert nicht den Nutzen, den Bitcoin mittlerweile als Vehikelwährung an Kryptobörsen oder als Wertspeicher für Sparer in Hochinflationsländern besitzt. Es mindert auch nicht den Enthusiasmus, den die Fangemeinde für die Mutter aller Kryptowährungen als Gegenentwurf zum Establishment weiterhin aufbringt – wahrscheinlich der Urtreiber seiner Verbreitung. Aber es zeigt die Grenzen des Einsatzes von Bitcoin auf, dessen Werthaltigkeit weiterhin auf einer privaten Konvention beruht. Allerdings sollten die Kurskapriolen der Kryptowährungen nicht den Blick verstellen für die Felder, wo wirklich neue Werte erzeugt werden. Diese sind der kommerzielle Einsatz der Blockchain. Deren Eigenschaft als dezentrale Gemeinschaftsunternehmung zur Verwaltung von Daten setzt gegenwärtig ungeahnte unternehmerische Kräfte frei.