Vielfältige Möglichkeiten in Risk & Compliance

KI hat eine vielversprechende Zukunft - Jedoch ist zu beachten, dass die finalen Entscheidungen weiterhin Menschen treffen. Ein Gastbeitrag von Birgit Dietl-Benzin, Risikovorständin der Deka, in der Börsen-Zeitung.

Trifft künstliche Intelligenz (KI) auf Risk & Compliance, könnte man annehmen, dass die Risikoseite das Thema schnell dominiert. Dass dies mitnichten so sein muss, zeigt die Deka. Die Digitalisierung – und gerade ein tiefes Eintauchen in KI und maschinelles Lernen – bietet im Risikomanagement und Compliance vielfältige Chancen.

Wie andere Geschäftsbereiche steht auch Risk & Compliance (R&C) vor der Herausforderung, immer schneller und flexibler eine steigende Anzahl an Daten verarbeiten und Entscheidungen treffen zu müssen. Der Blick auf die wachsenden regulatorischen Anforderungen, unsichere Märkte, Klimarisiken, Stresstests usw. bestätigt dies. KI kann in vielen Fällen operativ unterstützen und helfen, Prozesse zu optimieren. In der Deka werden seit Längerem konkrete KI-Anwendungen erprobt und teilweise bereits eingesetzt. In drei Bereichen erscheint ihr Einsatz besonders vielversprechend: bei der Liquiditätsprognose, der Zuweisung von Rechtsnormen und der Anpassung von Kreditvergabestandards.

Birgit Dietl-Benzin

Risikovorständin der Deka

Im Liquiditätsmanagement wickelt die Deka täglich Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge in erheblichem Volumen und Anzahl ab. Die Reihenfolge und der Zeitpunkt dieser Transaktionen bestimmen den Bedarf an Liquidität, den die Deka für den jeweiligen Tag vorhalten muss, damit die Zahlungen ungestört abgewickelt werden können. Bislang basiert die Höhe dieser zu Tagesbeginn vorgehaltenen Liquidität auf historischen Analysen. Angesichts der hohen Anzahl von täglichen Transaktionen bietet sich hier ein ideales Anwendungsfeld für Methoden des maschinellen Lernens. Das Ziel ist, Liquidität untertägig genauer und effizienter zu steuern.

Mit Hilfe der fach- und bereichsübergreifend im Zahlungsverkehr, Risikomanagement und Treasury einsetzbaren KI-Modelle sollen Zeitpunkte innerhalb eines Tages für valutierende Zahlungen bestimmt werden. So kann für jeden Tag der Liquiditätsbedarf individuell angepasst werden.
Dieser Nutzen stellt insbesondere dann einen bedeutenden Mehrwert dar, wenn die Kosten durch die vorgehaltene Liquidität zum Beispiel aufgrund von höheren Zinsen und/oder geldpolitischen Maßnahmen steigen. Ein weiterer Nutzen liegt in der Überwachung des Zahlungsverkehrs. Zeigen sich durch die KI-Modelle wesentliche Verspätungen zum prognostizierten Zahlungseingang, kann dies ein Indikator für Störungen im Zahlungsverkehr sein und es können Prozesse angestoßen werden, die das Risiko verringern.

Der Nachweis, dass durch KI-Methoden der Zahlungszeitpunkt innerhalb eines akzeptablen Fehlerumfelds prognostiziert werden kann, ist bereits geführt. Aktuell prüft die DekaBank die Integration der KI-Methoden in die Prozesslandschaft der  beteiligten Fachbereiche.

Rechtsnormenzuweisung

Vielversprechend erscheint auch die Anwendung von KI im Bereich der Rechtsnormenzuweisung. Aufgrund der stetig wachsenden regulatorischen Vorgaben und einer grenzüberschreitenden Gesetzgebung wird die Zuweisung von Regelungen und Vorschriften – sogenannte Rechtsnormen – auf einzelne Fachbereiche immer komplexer. Banken müssen im Risikomanagement und Compliance Prozesse etablieren, um die Vielzahl an rechtlichen Neuerungen zu identifizieren und diese den verantwortlichen Bereichen zuzuordnen sowie deren Umsetzung zu kontrollieren.

Die Idee ist es, eingehende neue oder sich ändernde Rechtsnormen mit Hilfe einer KI den betreffenden Fachbereichen zuzuordnen. Dabei geht es auch um die initiale Einschätzung, ob eine Rechtsnorm MaRiskrelevant ist – also den „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegt – sowie die fachbereichsseitige Relevanz.
Birgit Dietl-Benzin

Die intensive und frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema führt dazu, mögliche Risikofaktoren von KI frühzeitig zuerkennen und mit diesen – als Blaupause für die Bank– geeignet umzugehen.

Die Herausforderung besteht darin, optimal mit der Datenbasis umzugehen, da verschiedene Fachbereiche unterschiedlich oft Rechtsnormen zugewiesen bekommen und die Komplexität diverser Rechtsnormen mit der Zeit zunimmt. Auch generative KI befindet sich hier in der Verprobung. Ziel einer KI-Anwendung soll sein, in diesem Bereich eine automatisierte und effiziente Lösung zu schaffen, die menschliche Fehler minimiert und die Compliance-Prozesse der Bank verbessert.

Im dritten Anwendungsbereich, der Veränderung der Kreditvergabestandards, prüft die Deka derzeit, wie KI helfen kann, Verschiebungen in Portfolien automatisiert zu erkennen und Veränderungen von Kreditvergabestandards zuzuordnen. Diese Prozesse sind komplex, da viele verschiedene Ratingmodelle sowie Strukturkennzahlen existieren, die jeweils analysiert werden müssen. KI kann dabei helfen, Veränderungen in der Zusammensetzung von Kreditportfolien zu erkennen und zu interpretieren. Angesichts der Vielzahl von Modellen und zugrundeliegenden Strukturkennzahlen ist im Rahmen der Validierung hier jede Art der maschinell unterstützten Strukturierung eine willkommene Hilfe.

Vorgehen hat sich bewährt

Für alle drei Anwendungsbereiche wurden die KI-Lösungen im hauseigenen KILab der DekaBank entwickelt und deren Potenzial validiert. In einem weiteren Schritt werden im Rahmen des Deka-Innovationsprozesses die kritischen Hypothesen validiert, die einer finalen Umsetzung und deren Integration in den Arbeitsablauf des nutzenden Fachbereichs noch im Weg stehen könnten. Dieses zweistufige Vorgehen hat sich bewährt, da erst durch die Integration in den Arbeitslauf der Nutzen der KI gehoben wird.

Während KI im Risikomanagement eine wichtige Rolle spielt, ist sich die Deka auch der Herausforderungen bewusst, die sie mit sich bringt. Dazu gehören die Erklärbarkeit der Modelle und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen, um mögliche Fehler bei den Ergebnissen entdecken zu können. Bei Verwendung personenbezogener Daten muss darüber hinaus geklärt werden, wie es um Datenschutz und DSGVO-Konformität (Datenschutz-Grundverordnung – kurz DSGVO) bestellt ist, zum Beispiel was etwa den Schutz der Daten, deren zweckgebundener Verwendung oder aber auch deren Löschung anbelangt. Modell- und Data-Shift sind unvermeidbar in einer Welt, die sich rasant weiterdreht. Institute müssen sich jederzeit fragen, ob das entwickelte Modell noch passt oder ob es angepasst werden muss. Genauso wichtig ist ethisches und nachhaltiges Handeln. Denn der Einsatz der KI muss sich mit unserem Wertesystem decken. Dies gilt insbesondere für die sich rasch weiterentwickelnden Modelle der generischen KI, wie man sie zum Beispiel von ChatGPT kennt, und die auch in der Bank verprobt werden. Hier ergeben sich neue Herausforderungen.

Birgit Dietl-Benzin

"Für alle drei Anwendungsbereiche wurden die KI-Lösungen im hauseigenen KILab der DekaBank entwickelt und deren Potenzial validiert"

Lösbare Herausforderungen

Doch keine dieser Herausforderungen ist unlösbar und wir gehen mit großen Schritten voran. Die intensive und frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema führt dazu, mögliche Risikofaktoren von KI frühzeitig zu erkennen und mit diesen – als Blaupause für die Bank – geeignet umzugehen. Bei vielen Bankprojekten müssen die getroffenen Entscheidungen aus wirtschaftlichen oder regulatorischen Gründen nachvollziehbar und dokumentierbar sein. Dieses Kriterium erfüllt nicht per se jedes KI-Verfahren. Es ist deswegen notwendig, dass mehrere KI-Ansätze und auch die klassischen statistischen Ansätze weiterentwickelt und getestet werden.

Die Zukunft von KI sieht vielversprechend aus. Angesichts der rasanten Fortschritte auf diesem Gebiet ist nicht nur spannend, welche Innovationen die nächsten Jahre bringen werden, sondern vor allem wie die Finanzbranche sie für sich nutzen wird. KI wirkt neben den klassischen Verfahren unterstützend in vielen Bereichen von Risk & Compliance und sie wird zu einem unverzichtbaren Werkzeug werden. Doch bei aller Euphorie über verschlankte Abläufe und effizientere Prozesse darf nicht vergessen werden, dass die finalen Entscheidungen weiterhin von Menschen getroffen werden. Und das ist auch gut so.